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Neulich habe ich gelesen, dass es unter Hinzunahme atomarer Hilfsmittel maximal drei Stunden dauern würde, das Leben auf der Erde, und somit die gesamte Menschheit, auszulöschen. Also ungefähr so lange, wie man braucht, um von Düsseldorf auf die Balearen zu fliegen. Oder, um mit seinem E-Auto eine freie Säule zu finden, und dann betankt weiterzufahren. Drei Stunden, die so manche Pendler pro Tag gezwungenermaßen in öffentlichen Verkehrsmitteln verbringen. Oder damit, darauf zu warten, dass überhaupt welche kommen.
Man kann auch in drei Stunden seinen Garten bearbeiten, ein Buch lesen, mit Freunden im Café sitzen, einen Krankenbesuch machen, einem Hobby frönen, ein Schäferstündchen verdreifachen, eine Wanderung unternehmen, oder mit der Kamera losziehen. Drei Stunden ohne Endzeitstimmung sind eine Zeitspane, die durchaus Potential hat. Jedoch, wenn klar ist, dass mehr als drei Stunden nicht übrigbleiben, sind drei Stunden extrem wenig.

Drei Stunden finale Restzeit
sind auch ohne dystopische Szenarien eine Zeitspanne,
die über Alles oder Nichts entscheidend sein kann.
Herzinfarkt, Autounfall, ärztlicher Kunstfehler,
oder die schicksalshafte Begegnung mit einem
extremen Mitbürger, in drei Stunden kann unfassbar
viel passieren.
Die Frage ist, was macht den Unterschied?
Ich vermute nämlich, dass die mögliche Alltagsvariante,
binnen der nächsten drei Stunden abzuleben,
in ihrer Chance weit höher ist, als die Wahrscheinlichkeit,
dass einer der Heißdüsen und Wirrköpfe dieser Tage
den roten Knopf drücken wird.
Spannend, woher wir jetzt die Art von Umgang nehmen,
die uns Kurzzeitgäste auf der Erde auszeichnet.
Trägheit, Gelassenheit, Gleichgültigkeit, Idiotie,
Verwegenheit, Hoffnung, Glaube, Optimismus?
Irgendetwas muss es ja sein, das uns in Sicherheit wähnt,
nach den vor uns liegenden drei Stunden, auch die vierte zu erleben.
Drei Stunden nur.

Ganz unscheinbar und leise tauscht sich die Menschheit aus.
Wenn ich durch die Straßen der Städte spaziere,
denke ich ab und an darüber nach. Man meint gerne,
die Stadt bliebe über lange Zeit dieselbe. Diese Annahme
gilt wohl vor allem für die Spanne der eigenen Verweildauer.
Doch geisterhaft löst sich das Jetzt auf, wie in einem Horrorfilm.
Die Menschen, die mir begegnen, sind tagtäglich andere.
Von heute auf morgen wenige, nächste Woche schon mehr,
und in ein paar Jahren sind die Akteure der Bühne
vollständig ausgetauscht.
Die, die nicht mehr zu sehen sind, gingen leise davon.
Vor Monaten, Wochen, Tagen, oder eben binnen
der letzten drei Stunden.
So, wie letztlich auch wir.
Denn wir schauen ja nicht nur hin.
Wir sind Teil, ja, Bestandteil dieses Werdens,
Bleibens und Vergehens.
In drei Stunden kann unfassbar viel geschehen.
Man kann in drei Stunden seinen Garten bearbeiten, ein Buch lesen, mit Freunden im Café sitzen, einen Krankenbesuch machen, einem Hobby frönen, oder ein Schäferstündchen verdreifachen. Drei Stunden ohne Endzeitstimmung lassen sich prima rumkriegen. Und da nie klar ist, wann uns nicht mehr als nur drei Stunden bleiben werden, sind drei Stunden zu jeder Zeit extrem wichtig.
Diese Tatsachen machen das, was mir meine Fotografie bedeutet, so unglaublich wertvoll. Mit den teils subtilen Begebenheiten und den Menschen, die ich in ihren alltäglichen Lebensräumen ablichte, gelingt vielleicht das, was dann doch niemals gelingen mag, und daher nichts als eine Illusion bedeutet: Das Einfrieren von Momenten, die wirklich einzigartig sind.
Ich mache mir nichts vor, es bleiben nur die Fotografien mit ihren Illusionen dahinter. Doch ich liebe es, sie zu sehen. Die Menschen darauf, ihre Gesichter, ihre Mimik, Aura und Unverwechselbarkeit. Nicht eine Nuance davon kommt wieder, oder wäre wiederholbar. Nicht nur, was die Situationen auf den Plätzen, in den Straßen und Städten als solche betrifft, sondern auch darauf bezogen, wen und was ich dort sehe. Eben jene Menschen, ihre Gesichter, ihre Mimik, ihre Aura und Unverwechselbarkeit in diesem einen, kleinen, vergänglichen Augenblick.
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