Automobile Verwesung

8 Kommentare //

  Automobile Verwesung hat ihren eigenen Geruch. Mir steigt er sofort in die Nase, mit seiner Mischung aus Sprit, Öl, feuchtfaulen Inneneinrichtungen, Gummi und Metall. Dieser Duft ist unverkennbar, obwohl ich stark vermute, dass ihn nicht jeder wahrnimmt. Und unter denen, die ihn wahrnehmen, finden sich dann so Träumer wie ich, die ihn auch noch mögen. Schrottplätze sind Friedhöfe. Ich denke da auch sehr ähnlich drüber. Vergessen wird das, wovon niemand mehr erzählt. Und auch mit dem Ende eines Fahrzeugs enden nicht die Erinnerungen, Emotionen und Anekdoten, die damit einher gegangen sind. All´ das steckt nach wie vor unter den entkernten Blechkleidern.

  Alles, was hier die letzte Stätte findet, hat eine oftmals spannende Geschichte, die kaum jemand kennt. Aber Phantasie ist erlaubt. Und ich kenne ja auch meine Geschichten zu den Fahrzeugen, die ich besaß und besitze. Von daher fällt es leichter, eine ehrfürchtige Haltung an diesem Ort zu entwickeln, der für solche Gefühlsduseleien von der breiten Masse sicher eher als der falsche Ort für sowas angesehen werden mag.

  Ein BMW 2000, Typ-121, wahrscheinlich einer der letzten seiner Art aus den Jahren 1970/72. Viele Modelle und Automobilgenerationen folgten seitdem, doch immer noch spricht man beim 2000er von der "Neuen Klasse". Das Fenster der Fahrertür ist offen, wohl schon lange. Sitze und Inneneinrichtung sehen dennoch recht passabel aus. So, als wäre tatsächlich erst vor einiger Zeit der letzte Fahrer ausgestiegen. Das Lenkrad fehlt, der Schaltknauf auch, die Armaturen sind angelaufen und beschlagen, hier und da beginnt der nimmersatte Rost zu nagen.

  Genau diese Heckpartie fand ich immer edel, gediegen, und wirklich unverwechselbar schön. Mehr typisch BMW geht für mich auch einfach nicht. Und wer am Design entlang weiterdenkt, findet eine sehr ähnliche Optik bei den frühen 5er BMW´s, vor allem denen, mit den größeren Heckleuchten und ebenfalls Chromzier. Wirklich stark beeindruckt mich allerdings das zwischen den Rückleuchten schräg gesetzte Heckblech. "Neue Klasse", und auch VW T3, tja, solche vermeintlichen Kleinigkeiten schreiben Geschichte im Automobildesign von Klassikern.

  Eine ganze Weile schleiche ich noch um diese bayrische Design-Ikone herum. Der Duft des Verfalls ist überhaupt nicht unangenehm, ganz im Gegenteil. Und auch die Menschen fallen mir nochmal ein, die ihn zuletzt bewegt haben mögen. Vielleicht eine Familie auf ihrer Ausflugstour, die Kinder am Rücksitz ähnlich alt, wie ich 1972 war. Ihr Schicksal, ihr Pech oder Glück, ich werde es nicht ergründen können.

  Schrottplätze jedenfalls sind Friedhöfe. Und alles, was hier die letzte Stätte findet, hat eine oftmals spannende Geschichte, die kaum jemand kennt. Schade, dass es für diese Ikone der Straße nicht zu guterletzt diesen einen Moment gegeben hat. Jenen, wo im perfekten Augenblick doch alles gestimmt hätte.

2023 © DT-Classics